Bis vor wenigen Jahren hätte wohl niemand geglaubt, dass ein Lebensmittel wie Milch derart umstritten sein könnte. Einst über den grünen Klee gelobt, droht heutzutage von vielen Seiten die totale Verdammung. So kommt es, dass sich um das weiße Kuheutersekret eine Vielzahl von Mythen rankt – von falschen Versprechungen bis zu übertriebener Panikmache.
Grund genug, einmal genauer hinzuschauen, wie viel Wahrheit hinter 9 der verbreitetsten Milch-Mythen steckt.
1. Mythos: Milchtrinken sorgt für größere Brüste.
Zahlreiche – vor allem jüngere – Frauen wünschen sich eine üppigere Oberweite. Der Tipp: viel Milch trinken! Denn in Kuhmilch ist das weibliche Sexualhormon Östrogen enthalten, was die Körbchengröße anschwellen lassen soll.
Dumm nur, dass der Mythos reiner Quatsch ist. Zum einen ist die Östrogenkonzentration in der Milch zu gering, um eine messbare Auswirkung auf den menschlichen Organismus zu haben. Zum anderen ist fraglich, ob zugeführte Hormone überhaupt das Brustwachstum wesentlich beeinflussen können. Die Oberweite ist nun einmal vor allem genetisch bedingt.
Sehr schlanke Frauen könnten sich höchstens ein paar Pfunde anessen, damit der Fettanteil der Brust steigt. Ansonsten heißt es: Schultern zurück und Brust raus, um das, was man hat, zur Geltung zu bringen.
2. Mythos: Milch ist wichtig für die Knochen.
Die Milch-Kampagnen vergangener Jahre zielten vor allem auf eins: die Rolle der Kuhmilch als Kalziumlieferant. Kalzium ist wichtig für den Knochenaufbau und wird daher gerade in der Wachstumsphase gebraucht.
So gesehen, stimmt der Mythos. Allerdings sollte man die Rolle der Kuhmilch auch nicht überbewerten. Schließlich ist Kalzium auch in vielen Gemüsesorten, Nüssen, Bohnen sowie in kalziumreichem Wasser enthalten. Anders wäre es kaum möglich, dass sich Kinder auch in solchen Ländern gesund entwickeln, in denen traditionell keine Milch auf dem Speiseplan steht.
3. Mythos: Milch macht dick.
Milch ist kein Getränk, sondern ein Nahrungsmittel, heißt es. Als Durstlöscher sei sie also ungeeignet. Das stimmt: Milch enthält Fett, Eiweiß und Kohlenhydrate – und demzufolge hat Milch Kalorien.
Ein „klassischer Dickmacher“ ist Milch trotzdem nicht. In Sachen Übergewicht liegt die Verantwortung immer noch hauptsächlich beim Verzehr von Süßigkeiten, Limonade, Saft und Fastfood. Gleichwohl sollte man es mit der Milch natürlich auch nicht übertreiben.
4. Mythos: Immer mehr Menschen vertragen keine Milch.
Milch dient Säugetieren als Babynahrung. In der Regel verlieren die Säugetiere mit zunehmendem Alter die Fähigkeit, den Milchzucker Laktose abzubauen. Laktoseintoleranz ist somit der Normalfall.
Dass erwachsene Menschen Milch vertragen, haben wir hingegen einer Genmutation zu verdanken, die sich vor mehreren Tausend Jahren vor allem in Europa ausgebreitet hat. Es liegt also an den Genen, ob und wie viel Laktose der Körper verarbeiten kann.
Insofern ist es unwahrscheinlich, dass ganz plötzlich lauter Leute von ihrem Cappuccino Blähungen bekommen. Vermutlich achten die Menschen heutzutage einfach mehr darauf, wie sie auf welches Lebensmittel reagieren.
5. Mythos: Milch ist ungesund.
Es scheint eine simple Rechnung zu sein: Milch enthält gesättigte Fettsäuren. Gesättigte Fettsäuren erhöhen den Cholesterinspiegel, was wiederum das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigert. Folglich müsste auch die Milch Auswirkungen auf die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems haben. Hat sie aber nicht.
In keiner Studie konnte die These bewiesen werden, dass der Verzehr von Milch und Milchprodukten den Cholesterinspiegel oder den Blutkreislauf negativ beeinflusst. Der Mythos ist also – vermutlich – falsch.
6. Mythos: Milch macht müde.
Vor dem Einschlafen ein Glas Milch trinken und dann sanft ins Schlummerland hinübergleiten … Was bei Babys funktioniert, sollte doch auch bei den Großen klappen, oder?
Tatsächlich hat der Mythos einen wahren Kern. Milch enthält die Aminosäure Tryptophan, aus der die Schlafhormone Serotonin und Melatonin gebildet werden. Milch kann daher auf manche Menschen durchaus einen beruhigenden Effekt haben.
Doch leider ist die Wirkung nur minimal. Bei Babys ist vor allem das Sättigungsgefühl – auch bekannt als „Fresskoma“ – für den Milch-Schlaf verantwortlich. Bei den Größeren helfen feste Einschlafrituale sowie das Vermeiden von Stress wesentlich besser.
7. Mythos: Säuglinge dürfen keine Kuhmilch trinken.
Dieser Mythos stimmt. In den ersten vier bis sechs Lebensmonaten können Babys reine Kuhmilch nur schlecht verdauen. Zwar basiert auch das Milchpulver für Babys auf Kuhmilch, doch wurde diese vorher besonders behandelt.
Ab dem sechsten Lebensmonat kann man den Babybrei dann durchaus mit normaler Vollmilch anrühren. Ab dem ersten Lebensjahr sind selbst größere Mengen Kuhmilch, Quark oder Joghurt unproblematisch.
8. Mythos: Milch verursacht Akne.
Manchmal zucken Mediziner mit den Achseln und sagen: „Ist halt so.“ Wer unter Akne leidet, sollte möglichst ganz auf Milch verzichten. Allerdings ist immer noch unklar, warum sie Papeln und Pusteln zum Blühen bringt. Vermutet werden in der Milch enthaltene Hormone und insulinähnliche Wachstumsfaktoren – Genaues weiß man aber nicht.
Richtig ist also, dass Milch eine bestehende Akne-Erkrankung verschlimmern kann. Falsch ist hingegen der Mythos, dass Milch die Akne verursacht – denn Akne hat man in den meisten Fällen dem Erbgut seiner Eltern sowie dem dadurch bedingten Hormonhaushalt zu verdanken.
9. Mythos: Biomilch ist gesünder.
Aus rein ethischen Aspekten spricht viel dafür, zur Biomilch zu greifen: Den Kühen geht es besser und auch die Umwelt profitiert von der Abkehr von konventioneller Massentierhaltung. Aber ist Biomilch auch für den Menschen gesünder?
Einiges scheint die Vermutung zu bestätigen. Zum Beispiel ist der Anteil gesunder Omega-3-Fettsäuren in der Milch abhängig vom Futter. Da Bio-Kühe mehr frisches Grün essen, sind auch mehr Alpha-Linolensäuren in ihrer Milch.
Allerdings gilt: Es kommt auf den gesamten Ernährungs-Mix an! Mit Biomilch allein kann man eine ungesunde Ernährungsweise nicht ausgleichen – und wer sonst gesund lebt, dem schadet konventionell hergestellte Milch nicht wirklich.
Fazit: Das tägliche Glas Milch tut sowohl Kindern als auch Erwachsenen gut. Wirklich notwendig ist Milch aber nicht. Viel wichtiger ist, was insgesamt auf dem Speiseplan steht. So können bereits Brokkoli, Chinakohl und kalziumreiches Leitungswasser den täglichen Kalziumbedarf decken. Und wenn, dann sollte man möglichst auf Biomilch zurückgreifen – und sei es nur den Kühen zuliebe.
Oft ist ein gelassener Blick auf unsere Ernährung dienlicher als der enge Fokus, der einzelne Produkte in den Himmel hebt oder in die Hölle verbannt. Dies zeigen auch die folgenden beiden Beiträge:
- 7 Gesundheitslügen, die seit Generationen bestehen
- 6 fatale Irrtümer über Lebensmittel, die fast jeder glaubt
Vorschaubilder: ©flickr/NickeyNickey ©flickr/Robert