Veröffentlicht inGesundheit & Beauty, Lifehacks, Lustig & Interessant

Nostalgie: Ihre positive Wirkung und wann sie schädlich ist

Erinnerungen sind unser wertvollstes Gut. Doch ab welchem Punkt wird aus Rückbesinnung Rückwärtsgewandheit? Ab wann ist die Flucht in die Vergangenheit bedenklich?

Ende des 17. Jahrhunderts beschrieb ein Schweizer Doktorand eine seltsame Krankheit, die in der Fremde stationierte Söldner befiel, wenn sie das Läuten von Kuhglocken hörten. Die Krankheit nannte er „Nostalgia“, was übersetzt so viel wie „Heimweh“ bedeutet.

Inzwischen hält Nostalgie niemand mehr für eine Krankheit. Trotzdem werden Menschen, die der Vergangenheit allzu sehr hinterhertrauern, oft kritisch beäugt: „Früher war alles besser? Wer’s glaubt!“

Der Schriftsteller Jean Paul behauptet hingegen: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“ Was stimmt nun? Sind schöne Erinnerungen ein inniger Schatz oder nichts weiter als schale Gegenwartsflucht?

An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Flickr.com-Bild der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden.

Nostalgie hat viele Schattierungen. Es kommt darauf an, ob wir die Erinnerung an Vergangenes als Besitz oder als Verlust begreifen – und ob wir ihr reflektiert oder restaurativ begegnen.

So stellten mehrere Untersuchungen von Psychologen unabhängig voneinander fest, dass Nostalgie durchaus einen heilsamen Effekt haben kann. Bei depressiven Verstimmungen werden schöne Erinnerungen zum Beispiel gezielt als therapeutisches Mittel eingesetzt. Selbst im Alltag können nostalgische Gefühle Kraft geben, um Herausforderungen zu meistern. Der Blick zurück gibt dem Leben einen roten Faden: Das Leben wird als sinnvoll empfunden, man fühlt sich zufriedener und weniger ängstlich.

Kein Wunder also, dass gerade in Phasen gesellschaftlicher Umbrüche und persönlicher Unsicherheit die „gute alte Zeit“ beschworen wird. Die „Ostalgie-Welle“ um Trabbi, Nudossi und Ampelmännchen entsprang nicht dem Wunsch der Ostdeutschen, die DDR möge wiederauferstehen. Er war schlicht ein Reflex, um mit den gewaltigen Umwälzungen nach der Wende fertig zu werden.

An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Flickr.com-Bild der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden.

Muss man also lediglich alte Filme anschauen und die Schlaghosen aus der Mottenkiste holen, um glücklich zu sein? Ganz so einfach ist es leider nicht. Denn in den folgenden 5 Fällen kann das zwangsläufig schöngefärbte Bild der Vergangenheit, wie es in nostalgischen Momenten erscheint, durchaus zum Problem werden:

1.) Liebe

„Spinat und alte Liebe soll man nicht aufwärmen“, sagt der Volksmund. Für Spinat mag das ja gelten, aber für die Liebe? Bei einer Jugendliebe, die sich nach Jahren wiederfindet, ist die Chance viel höher als bei anderen Paaren, dass die Beziehung lange hält. Grund dafür sind nicht zuletzt die geteilten Jugenderinnerungen, die der Beziehung eine stabile Basis geben.

Doch Vorsicht! Im Zeitalter des Internets spüren immer häufiger Menschen aus sentimentalen Anwandlungen heraus ihrer Jugendliebe nach. Man tauscht E-Mails aus, trifft sich zum Eisessen und lässt die Vergangenheit wach werden. Was dabei nicht beachtet wird: In der Rückschau wird die frühere Beziehung von einem Glorienschein umgeben, während die gegenwärtige Partnerschaft blass und grau erscheint. Bestehende Beziehungen werden auf diese Weise immer öfter gefährdet, wie Eheberater feststellen. 

An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Flickr.com-Bild der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden.

2.) Werbung

Dass sich Menschen gerne in alten Erinnerungen wiegen, hat die Werbung längst erkannt – und nutzt diese Schwachstelle dreist aus. Die Firmen inszenieren Produktklassiker wie „Leibniz Butterkeks“, „Nivea Creme“ oder „Werther’s Original“ als einzige Konstanten in einer sich immer hektischer wandelnden Welt.

Und das mit Erfolg. Studien haben gezeigt, dass der Preis kaum eine Rolle spielt, wo die Werbung nostalgische Gefühle weckt. Wie kein anderer Werbetrick schafft es Nostalgie, das rationale Denkvermögen auszuschalten. Prominentes Beispiel: Im Jahr 1994 konnte Coca-Cola seinen Umsatz um sage und schreibe 100 % steigern, nur weil das Unternehmen die klassischen Glasflaschen mit der geschwungenen Form wieder einführte.

An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Flickr.com-Bild der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden.

3.) Politik

Politiker erinnern seit jeher gerne an die „glorreichen alten Zeiten“, um auf Wählerfang zu gehen. Der Slogan „Make America great again“ wurde nicht erst von Donald Trump erfolgreich eingesetzt, sondern bereits von seinen Vorgängern Bill Clinton (1991) und Ronald Reagan (1980).

Eine Politik, die auf schöne Erinnerungen setzt, kann allerdings in mehrfacher Hinsicht problematisch werden. Denn die Besinnung auf traditionelle Werte und auf gemeinsam Erreichtes ist das eine. Wird jedoch eine idealisierte Vergangenheit als Lösung für die Probleme der Gegenwart angeboten, ist das wenig hilfreich.

In diesem Zusammenhang beobachten Forscher bei nostalgischen Menschen auch eine stärkere Anfälligkeit für Populismus: In der verzweifelten Sehnsucht nach Stabilität wird versucht, das verklärte Bild einer eigenen Identität zu schützen und nach außen abzugrenzen – ein Scheingefecht, das den wirklichen Ursachen der Unsicherheit nicht auf den Grund geht.

An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Flickr.com-Bild der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden.

4.) Charakter

Die Studien zu den positiven Effekten der Nostalgie beziehen sich in der Regel auf absichtlich herbeigeführte schöne Erinnerungen. Es gibt allerdings Menschen, bei denen Nostalgie ein Charakterzug ist. Solche Menschen fühlen sich von der sie umgebenden Welt getrennt.

Nostalgiker vergleichen die ideal erscheinende Vergangenheit beständig mit der Gegenwart, wobei sie dem Zurückliegenden hinterhertrauern, statt sich über vergangenes Glück zu freuen. So leben sie im Gestern, ohne sich als Teil der gesellschaftlichen Entwicklung zu begreifen. Gleichzeitig wird aber die gesellschaftliche Entwicklung für die persönliche Unzufriedenheit verantwortlich gemacht.

An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Flickr.com-Bild der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden.

5.) Zerrissenheit

Es gibt Menschen, die einen tiefen Bruch in ihrer eigenen Biografie empfinden. Die Kindheit und andere lieb gewordene Dinge, Orte oder Beziehungen erscheinen ihnen in irgendeiner Form entrissen worden zu sein. Anders als Nostalgiker, die sich fühlen, als seien sie „aus der Zeit gefallen“, tragen sie eine Art Verlustangst in sich. Das eigene Leben gerät im Rückblick zu einer unbarmherzig voranschreitenden Folge vergänglicher Augenblicke. Jede neue Erfahrung ist zugleich ein Abschied. 

Die Vergangenheit weckt in solch innerlich zerrissenen Menschen dann nicht jenen bittersüßen Schmerz des „Ach, wie war das schön!“, aus dem man Kraft und Zuversicht schöpft. Auf sie wirken die schönen Erinnerungen im Gegenteil lähmend. 

An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Flickr.com-Bild der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden.

Die Welt der schönen Erinnerungen hat zwei Gesichter: In nostalgischen Momenten kann man über sich selbst reflektieren, was einem im Leben wichtig war und wie man zu dem geworden ist, was man ist. Gerade in Phasen, in denen man sich unsicher oder überfordert fühlt, kann Nostalgie Kraft geben. Grund genug also, alte Poesiealben durchzublättern, Spielzeug aus der Kindheit nachzukaufen und auf 80er-Jahre-Partys zu gehen.

Bei all dem darf man aber nie vergessen, dass der Blick zurück nie ohne rosa Brille erfolgt: Die Vergangenheit war nie so perfekt, wie sie uns heute erscheint. Nostalgie mag somit zwar wichtig für das persönliche Selbstbild sein. Man sollte sich von ihr aber nicht überlisten lassen. Vor allem ist sie für einen Vergleich mit den Gegebenheiten und Problemen der Gegenwart – oder gar für eine politische Agenda – höchst unbrauchbar.

Vorschaubilder: ©Flickr/Keith Parker ©Flickr/Sarah-Rose