Wenn Kinder eine Meinungsverschiedenheit haben, artet dies schnell in einen handfesten, lauten und hektischen Streit aus. Wenn die Streithähne mit Worten nicht weiterkommen, wird auch gerne einmal an den Haaren gezogen. Um den Streit nicht eskalieren zu lassen, hilft nur noch eins: Giraffensprache!
Gleich vorweg: Mit „Giraffensprache“ ist natürlich nicht gemeint, wie in einem „Giraffenkränzchen“ in der Savanne loszuplaudern. Das wäre auch nur schwer möglich, denn Giraffen kommunizieren im für Menschen unhörbaren Infraschallbereich.
Was ist Giraffensprache?
Die Giraffensprache ist vielmehr ein Konzept, um Konflikte gewaltfrei zu lösen. Es wurde vom amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg (1934-2015) entwickelt und hat sich bereits in Krisengebieten wie in Palästina oder im ehemaligen Jugoslawien bewährt. Auch in vielen Schulen gehört die Giraffensprache mittlerweile zum „Pflichtfach“.
Nicht zuletzt können aber auch die Eltern im Alltag zu Hause von der genialen Idee Rosenbergs profitieren.
Streit gehört dazu
Rosenberg überrascht zunächst mit einer These: Streit ist nicht schlimm. Er gehört dazu. Wenn zwei gegensätzliche Bedürfnisse oder Ziele aneinandergeraten, kommt es bloß darauf an, wie man mit dieser Situation umgeht.
Die Giraffensprache versucht also nicht, Konflikte zu vermeiden, sondern sie konstruktiv zu lösen. Im Alltag reagieren in Auseinandersetzungen allerdings nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene oft mit einer Mischung aus Forderungen, Rückzug und Schuldzuweisungen. Da bleibt nicht viel Raum, um Verständnis für die Position des anderen aufzubringen.
Mit der Giraffensprache lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen.
Warum heißt es „Giraffensprache“?
Die Giraffe ist das Landtier mit dem größten Herzen, sie ist ruhig und hat darüber hinaus dank ihres langen Halses die perfekte Übersicht. Ein großes Herz, Ruhe und Übersicht – so ist Rosenberg überzeugt – braucht es auch, um aus verfahrenen Konflikten wieder herauszukommen. Mit der Giraffe hat der Psychologe somit ein Symboltier gewählt, das selbst kleine Kinder gut verstehen.
Das Gegenteil dazu ist der Wolf: Fühlt der sich bedroht, duckt er sich und fletscht die Zähne. Er will stets die Kontrolle behalten und sich durchsetzen, sieht das Gesamte der Situation aber nicht.
Im Streit ähneln die meisten Menschen dem Wolf – genauer: Ihre Art zu kommunizieren ähnelt ihm. Rosenberg geht nämlich davon aus, dass es eine bestimmte Redeweise ist, die uns vom „Wolf“ zur „Giraffe“ macht. Und diese lässt sich erlernen.
Wie funktioniert die Giraffensprache?
Die Giraffensprache setzt Empathie in zwei Richtungen voraus:
- Wie geht es dem anderen? Was braucht/will er?
- Wie geht es mir? Was brauche/will ich?
Die Antworten auf diese Fragen liegen nur selten offen auf dem Tisch. Um an sie heranzukommen, muss man in Streitsituationen erst recht richtig formulieren:
- Berichte, was du beobachtest, ohne dabei zu urteilen. Vermeide auch generalisierende Aussagen wie „immer machst du“, „nie kann ich“ usw.
- Mache klar, wie du dich dabei fühlst. Frage den anderen, wie er sich fühlt.
- Erkläre deine Bedürfnisse, die der Grund für deine Gefühle sind.
- Formuliere eine klare Bitte, die auch abgelehnt werden kann, wenn das begründet wird. Ziel ist es, eine gemeinsame Lösung zu finden, bei der es weder Gewinner noch Verlierer gibt.
Funktioniert Giraffensprache immer?
Damit die Giraffensprache zum Erfolg führt, braucht es Zeit, Energie, etwas Mut, sich zu öffnen und eigene Positionen zu verlassen, sowie ein ausgereiftes Vokabular – es ist nämlich anfangs gar nicht so leicht, aus der Sprache der Forderungen und Schuldzuweisungen herauszufinden und Gefühle zu benennen. Doch es lohnt sich: Immerhin haben bereits langjährige Kriegsgegner mithilfe der Giraffensprache zu Kompromissen gefunden. Da klappt es sicher auch im Kinderzimmer!
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Quelle: volksschule-ipsheim, wikipedia
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